Die Rückseite des Hausgartens: Die Stiefmutter von Krämern?
Der Hausgarten vermögender Menschen kann Ausdruck von Herz und Intelligenz sein, oder die Expression des Kleingeistes von maskierten Krämer-Seelen. Europas berühmtester Parkschöpfer aller Zeiten, Hermann Fürst von Pückler, schrieb schon: „Mein Garten ist mein ganzes Herz“. Ich beschäftige mich schon mein ganzes Leben mit Gärten und Parks und sage: Zeige mir Deinen Garten und ich erkenne Dein Herz und Deinen wahren (Kunst-) Verstand.. Im Garten sieht man die Kultur eines Menschen, denn die Natur ist mit uns verbunden. Ich habe in meinem Leben viele gewöhnlichen Gärten mit wenig Gestaltungs-Phantasie gesehen. Der prall gefüllte Geldbeutel manch reicher Millionäre, Industrieller und Banker reichte zwar oft für die Beschaffung von protziger und teurer „Auftragskunst“, ersetzte aber nicht den guten Geschmack und den fehlenden Kunstverstand. Demgemäß sind die Gärten sowohl armer als auch reicher Leute oft ihr eigenes Spiegelbild.
In den meisten Hausärten stehen zu viele Bäume und sie stehen auch nicht an den richtigen Stellen. Das liegt oft daran, dass viele heutigen sogenannten Garten- und Landschaftsbauer keine wirklichen Fachleute für wahre und historische Gartenkunst sind, sondern profitorientierte Massen-Raster-Lieferanten und Verleger von Waschbetonplatten, Pflastersteinen und Betonbegrünungen.
Viele Menschen wünschen sich in ihrer Begierde auch zu viele Bäume in ihren dafür viel zu kleinen Gärten und demgemäß werden ihnen auch viele Bäume verkauft. Später ist das Grundstück oft dunkel zugewachsen und man sieht vor lauter Wald die schönen Solitär-Bäume nicht mehr. Statt im Licht der Sonne, vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, die Farben ihres Gartens oder Parks zu genießen, sitzen die Besitzer oft in einem „dunklen Loch“. Statt der Freude kehrt die schwarze Depression des „Abgetrenntseins“ ein. Nur im Licht der Sonne erkennen wir die Kraft der leuchtenden Farben.
Interessant sind für mich immer auch die Rückseiten der Hausgärten. Denn während die Menschen auf der Vorderseite oft zum Ausdruck bringen, wer sie sind und wie sie scheinen wollen, sieht man auf der Rückseite oft ihren wahren Kunstverstand, ihren Geiz oder auch ihr Chaos. Oft ist die Rückseite die Stiefmutter ihres Hausgartens und sie zeigt, wie die Handtasche mancher Frau, den Zustand der Seele und ihr wahres Gesicht.
Auf dem Lorettoberg habe ich wunderschöne Berggärten gesehen, doch vielen fehlt das Bewusstsein ihrer einmaligen Lage. Manchen fehlt das Herz für die Wahrnehmung des einzigartigen „Herzstückes“ auf dem Lorettoberg: Der Blick auf die altehrwürdige Lorettokapelle. Viele haben offenbar noch nie die Achsensymmetrie auf der imposanten „Wilhelmshöhe“ in Kassel wahrgenommen und nicht begriffen, dass der „Gegenpol“ ihres Hauses die göttliche Höhe der Lorettokapelle ist. Sie allein ist „dem Himmel so nah“. Statt sich von ihren Gärten eine bereichernde Sicht auf das Kernstück des Lorettobergs zu bewahren, haben sie den „Kapellen-Blick“ mit dem Sonnenuntergang in ihrem eigenen Garten untergehen lassen. Und statt die „Längsachse“ von ihrem Haus, mit dem unbezahlbaren Blick auf die ehrwürdige Kapelle, freizuhalten haben sie in die gärtnerische Symmetrieachse „Querriegel“ mit Baumvorhängen wachsen lassen. Sie haben bestenfalls noch auf ihren Blick auf das Freiburger Münster und die Stadt geachtet. Dabei haben sie das visuelle Ziel auf den Gegenpol, den anderen „Point de vue“, verloren.
Diese landschaftsprägenden Elemente des historischen Ensembles in den aufsteigenden Berggärten am Lorettoberg herauszuarbeiten, einzufangen und ihnen Geltung zu verschaffen, ist feine Gartenkunst. Mit sogenannten „Sichtfächern“ auf die umliegenden Majestäten von Kunst und Natur können die Park-Gärten am Lorettoberg bald wieder wie Musik klingen.
Werner Semmler
Weitere Infos hier:
www.queen-auguste-victoria-park.de/die-fenster-vom-lorettoberg-auf-das-schoene-freiburg-sind-wieder-geoeffnet_A1100