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Endingen
Montag, 23. Dezember 2024
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Graue Theorie und ein Millionenloch in der Praxis: Wunsch-Kandidaten im Endinger Bürgermeister-Showdown.

Graue Theorie und ein Millionenloch in der Praxis: Wunsch-Kandidaten im Endinger Bürgermeister-Showdown. (Bild: Regionalia)

"Dies ist gewiß: Ein Theoretiker und Utopist, baut in der Praxis meistens Mist". Das sagte der Endinger Bürger H.L. vor der Show. Er meinte, es sei kein Zufall, wenn sich bei der bekannten Verschuldung der Stadt und dem gewaltigen weiteren Kreditbedarf kein Bürgermeister-Profi beworben habe, sondern vorwiegend Theoretiker.

Ob die Vorstellungen der Bewerber um das Amt des Bürgermeister der Stadt Endingen Utopien sind oder glaubwürdige und machbare Inhalte haben, das wollten die gekommenen Bürgerinnen und Bürger wohl wissen.

In der bis auf den letzten Platz gefüllten Stadthalle von Endingen lieferten die fünf Kandidaten am Freitagabend vor angeblich rund 1700 Zuhörern ihren „Showdown“ zur Bürgermeisterwahl ab. Die Moderation hatte der in Amoltern wohnende Mediator und Unternehmensberater Dr. Peter Modler übernommen. Sowohl die Vorstellung der Kandidaten als auch die anschließende Diskussion verlief im guten Diskurs; Modler hatte alles im Griff und führte die Veranstaltung vorbildlich neutral, sachlich und ohne jede Zensur.

Die Sieger der „Präsentation mit Worten“ wurden nicht ermittelt und es wäre mit der Objektivität der Presse nicht vereinbar, wenn die Journalisten darüber ein Werturteil abgeben würden. Die meisten Wählerinnen und Wähler haben es vermieden, ihre Präferenz zu zeigen, einige harten Kritiker sprachen von einer "politischen Märchenstunde für fromme Wünsche", andere fanden es informativ oder hatten ihr Amüsement.

Jetzt werden sie ihre Entscheidung in geheimer Wahl treffen. 


Kandidaten-Show der Bürgermeister in spe.

Die fünf Kandidaten Felix Fischer, Andreas Schmidt, Jörg Dengler, Tobias Metz und Werner Semmler durften sich, in der Reihenfolge des Eingangs ihrer Bewerbungen und nach ihrer Position auf dem amtlichen Stimmzettel, jeweils 15 Minuten vorstellen. Damit die anderen Kandidaten für ihren Vortrag keine Gedanken aus den Reden ihrer Kontrahenten stehlen konnten, wurden sie in einem separaten Raum abgeschirmt.

Die „Bürgermeister in spe“ trugen sodann jeweils ihr „Sammelsurium“ ihrer Absichten, Ziele und Wünsche vor. Felix Fischer und Andreas Schmidt trugen in freier Rede vor. Tobias Metz und Jörg Dengler redeten  überwiegend aus ihren Manuskripten. Dem Politiker Fischer gelang eine minutengenaue Punktlandung in seiner Redezeit. Bei Tobias Metz vermutete ein Ettenheimer „Metz-Kenner“, sein geschliffener, prägnanter Redeinhalt könnte von seinem engagierten Bürgermeister-Berater stammen, doch das ist eine unbewiesene Spekulation. Andreas Schmidt absolvierte seine Vorstellung in freier Rede. Sein Programm stellte er mit sieben Kernaussagen dar, die er jeweils visuell mit Schrifttafeln anzeigte und lingual erläuterte. Auch Jörg Dengler präsentierte sich mit Manuskript und zeigte sich sehr redegewandt, aber etwas zu dozierend und belehrend, wie ein "grüner Politiker". Werner Semmler erinnerte mit seiner Metapher an den Maskenball von Venedig und sorgte für einen gewissen Unterhaltungswert der Endinger „Kandidaten-Sendung“. Semmler beendete seine Rede vorzeitig. Von uns nach dem „Warum“ befragt, gab er an, er habe wegen der guten Stimmung in der Halle auf die am Schluss vorgesehene „Demaskierung“ der politischen Strippenzieher verzichtet und werde seine Botschaft noch anderweitig anbringen.

Viele Ziele und Programme der Kandidaten überschnitten sich und hatten im Kern den gleichen Guss. Die Politiker-Phrasen „mir ist wichtig, man sollte, ich werde, ich will“ kamen fast in allen Vorträgen vor. Die politischen Deklarationen der Kandidaten hatten überwiegend nur Unterhaltungswert. Denn nach § 24 der Gemeindeordnung entscheidet in allen wichtigen Dingen der Stadt allein der Gemeinderat und der Bürgermeister hat, als Vorsitzender des Gemeinderates, nur eine Stimme.

In den Fokus des öffentlichen Interesses ist derweil die hohe Verschuldung der Stadt Endingen gerückt. Während jeder private Bauherr sein Eigenheim zum Festpreis bauen lässt, sind für die Erstellung des Schulcampus bisher noch keine Festpreise vorgesehen. Schon jetzt gaben die Planer die erste Erhöhung der geschätzten Kosten, auf jetzt angeblich 27,7 Millionen Euro, bekannt. Und wenn bei dieser guten Baukonjunktur in Etappen und über mehrere Jahre gebaut wird, dürften, nach den Erfahrungen bei den Bauten von Kommunen, künftig noch viele weitere Kostensteigerungen bekannt gegeben werden.

In den Kassen und im Haushalt der Stadt Endingen tut sich also ein Millionenloch auf und viele stellen sich die berechtigte Frage, woher kommt das viele Geld und womit will man die Bauskosten bezahlen? Was geschieht, wenn die Bauunternehmen versuchen sollten, die Stadt mit Kostensteigerungen über den Tisch zu ziehen? Wie viele Kredite müssen aufgenommen werden und wer soll sie eines Tages zurückzahlen?

Die Ignoranz für die Frage, mit welchen nicht vorhandenen Mitteln oder mit welchen neuen Krediten das Schulzentrum finanziert werden soll, erinnert an andere "Finanz-Fakten-Legastheniker" im Land. Wer Schulden hat, dem ist nichts zu teuer? Findet in Endingen die Ignoranz für das neue Schulden-machen wirklich die Toleranz von Wegschauenden? Mit neuen Schulden kann man bekanntlich die alten Schulden nicht begleichen.

Auf dem künftigen Endinger Schuldenberg dürften die Aussichten für manches Andere auf der Strecke bleiben. Weil der künftige Bürgermeister mit diesen Schulden durch Sorgen gebunden ist, dürften sich manche jetzt geäußerten Wünsche und Programme als Illusionen erweisen und in der Praxis sterben. Deswegen stellen sich die Bürger ja auch die berechtigte Frage, ob die Kandidaten die notwendigen Erfahrungen haben, um einen gierigen Griff der Bauunternehmer auf die Kassen der Stadt abzuwehren.

Dazu stellte ein Bürger in der Diskussion diese berechte Frage: Wer soll die Schulden bezahlen und wird es Erhöhungen der Steuern und Gebühren geben?

Die Beschwichtigungen der Kandidaten zu den Kosten des Schulzentrums könnten sich als die todschicken Begleiter ihres Irrtums erweisen. Bei ihren Antworten gingen sie - mit Worten - in die Grauzone. Ein Zuhörer sagte unserem Redakteur dazu am Schluss: „Grau ist alle Theorie, und graumeliert sind die Inhalte mancher Kandidaten“.

Eine Bewertung der Kandidaten und Ihrer Vorstellung verbietet sich mit unserem Anspruch auf Neutralität. Wir überlassen das Urteil über die Kandidaten den Wählerinnen und Wählern.

Deswegen bringen wir auch keine selektiven Berichte oder wählen Themen aus, mit denen einzelne Kandidaten vermeintlich negativ in den Fokus gestellt werden können, während wir bei anderen Kandidaten ihre vermeintlichen Mankos verschweigen. Wir werden so vorgehen, wie dies bereits der Kaiserstühler Wochenbericht und die Endingen-App in vorbildlicher Weise getan haben: Wir werden an alle Bewerber schriftlich die gleichen Fragen stellen und ihre Antworten wörtlich 1:1 wiedergeben. Wir werden keine Meinung „machen“ indem wir als Journalisten die Aussagen der Kandidaten interpretieren oder ihre Antworten selektiv auswählen und nur uns passende Teile davon bringen.

Autor: Johannes Reh

  (Endinger Nachrichten, Artikel-Nr. 13921 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 27.10.2018 13:50.

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