Im Bürgersaal des Breisacher Rathauses wurden die Schnittchen langsam warm, da der Minister noch im Stau steckte. Aber kurz vor 13 Uhr konnte Bürgermeister Oliver Rein den Gast aus Stuttgart in „seiner“ Stadt willkommen heißen. Neben Vertretern der BI für verträgliche Retention Breisach/ Burkheim e. V., Lothar Neumann, Karl- Anton Hanagarth, Gottfried Trogus und Frank Siebenbürger, waren auch Vertreter der Gemeinderatsfraktionen sowie Vogtsburgs Bürgermeister Gabriel Schweizer und der inzwischen zum Breisach- Kenner mutierte CDU- Kreisvorsitzende Dr. Patrick Rapp ins Rathaus gekommen.
Typisch südbadisches Thema
„Das Thema verträgliche Retention ist ein typisch südbadisches Thema“, so der Besucher aus der Landeshauptstadt, der sich noch gut an seinen Besuch bei der BI vor anderthalb Jahren erinnerte. Bürgermeister Oliver Rein stellte nach einer kurzen Begrüßung nochmals heraus, dass sich die BI für und nicht gegen etwas engagiert. Die Maßnahmen des IRP, die ja dem Hochwasserschutz dienen, so Rein, „würden erduldet werden“, jedoch nur unter dem Aspekt der Verträglichkeit für „die hohen Güter Freizeit und Mensch!“
Einen Überblick über die für den Raum Breisach geplanten „ökologischen Flutungen“ und die Forderungen der BI gab im Anschluss deren Vorsitzender Lothar Neumann.
Keine Stau- sondern Fließpolder, kein Querdamm im Polder Breisach- Burkheim sowie eine angemessene Entschädigung für die vom IRP betroffenen Vereine, so die zentralen Forderungen der Betroffenen. Breisach sei mit drei geplanten Rückhalteräumen ohnehin überproportional belastet, stellte Neumann heraus. Auch beklagte er zum wiederholten Male die mangelnde Gesprächsbereitschaft der Naturschutzverbände BUND und NABU, die an den „ökologischen Flutungen“ festhielten.
„Hochwasserschutz ist nicht zum Nulltarif zu bekommen“, fasste Breisachs Bürgermeister Neumanns Ausführungen zusammen. Während beim Polder Breisach- Kulturwehr nicht zuletzt Dank der Arbeit der BI „gute Kompromisse“ gefunden worden seien, wollte man von den Forderungen nach der querdammfreien Schlutenlösung beim Rückhalteraum Burkheim sowie der Forderung nach dem bei der Auskiesung des 90- Meter- Streifens beim Polder Hartheim anfallenden Kies nicht abrücken, betonte Rein.
Willi Stächele versprach, mit Dr. Patrick Rapp sowie dem Ministerpräsidenten nochmals nach Breisach zu kommen: „Das Gespräch führen wir!“ Allerdings wollte Stächele wissen, ob denn die Alternative Fließpolder „fachlich geprüft und sauber unterlegt sei“. Lothar Neuman und Oliver Rein betonten, dass beim Regierungspräsidium zu dieser Frage eine Wirkungsanalyse in Auftrag gegeben worden ist, deren Ergebnisse aber noch nicht vorliegen.
Bevor sich der Finanzminister ins Goldene Buch der Stadt eintrug, wollte der Bürgermeister noch rasch in Erfahrung bringen, wie es um die Fortführung des Landessanierungsprogramms (LSP) steht. Ganz Finanzchef betonte Stächele, dass er „das Geld nicht herzaubern könne“. Die Konsolidierung der Landesfinanzen, so Stächele, stünde in der nächsten Zeit ganz oben auf der Aufgabenliste. Die Hauptausgaben liegen in nächster Zukunft bei Bildung, Strukturstärkung des ländlichen Raumes sowie dem Straßenbau. Rund 60 Millionen Euro lässt sich das Land ein McKinsey- Gutachten zu Themen wie Innovation und Technik kosten.
Innovation mit Tradition – Tapetenfabrik Erismann
Seit 173 Jahren stellt die Firma Erismann Tapeten her. Neben dem Werk in Breisach, das bereits seit 1883 an verschiedenen Standorten die meist farbenfrohe Wandzier produziert, betreibt der Tapetenriese seit 2003 ein Werk im Moskauer Vorort Woskressensk. Dies ist nahe liegend, erläuterte der Geschäftsführer Peter Bercher, der die Delegation rund um den Minister zusammen mit Geschäftsführer Martin Slotty in den Räumen der Tapetenfabrik an der Rheinstraße begrüßte. 65% der Tapeten gehen in den Export, der Großteil davon ins Tapetenland Russland. Und da Tapeten ein sperriges Gut sind, lag es nahe, diese vor Ort zu produzieren. Neben Tapeten aller Couleur, die von einer eigenen Design- Abteilung entworfen, stets den neusten Modetrends folgen, setzt Erismann seit dem Jahr 2010 auf 100% Phthalate freie Wandbehänge, die sogar den strengen Kriterien für Babyspielzeug genügen. Die Traditionsfirma geht also auch in dieser Hinsicht mit der Zeit.
„Phänomenal“ fand der Finanzminister, dass sich eine deutsche Tapetenfabrik bei „unseren Lohnkosten“ sogar in Russland erfolgreich ist. Die Aufgabe der Politik sah der Minister vor allem darin, geeignete Rahmenbedingungen für erfolgreiche Unternehmen zu schaffen. Bezüglich der Rahmenbedingungen wünschte sich Peter Bercher vor allem versiertere Betriebsprüfer, die „wissen worum es in den jeweiligen Unternehmen geht und sich für diese interessieren“. Auch Willi Stächele forderte mehr Fortbildungen für die Beamten/Innen. Der Minister versicherte zudem, sich dem „ineren der Betriebe mehr zu widmen“. Diesen Vorsatz konnte er bei der anschließenden Betriebsführung denn auch gleich in die Tat umsetzen.
Landessanierungsmittel in Loftbauweise
Den Abschluss fand der Ministerbesuch in der Muggensturmstraße, wo Willi Stächele sich auf der Großbaustelle „Alter Winzerkeller“ an imposanten Abbruchmaßnahmen angucken konnte, wohin Gelder aus dem Landessanierungsprogramm fließen. Denn rund zwei Drittel der 1, 1 Millionen Euro Abbruchkosten für die alten Kellereigebäude kamen aus der Landeskasse. Nachdem sich der Minister von der Großartigkeit der Großbaustelle überzeugt hatte, gab es im angrenzenden „Kochstudio“ bei einem kleinen Umtrunk noch Gelegenheit, in lockerer Atmosphäre ein paar Anliegen oder Fragen beim Finanzminister los zu werden. Was nach der Wahl vom vor der Wahl Versprochenen übrig bleibt, bleibt wie immer abzuwarten. Erfreulich aber, dass sich Stächele trotz seines prall gefüllten Terminkalenders richtig viel Zeit für die Europastadt und ihre Belange genommen hat!