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Sumpfalptraum statt Auenmärchen - „ökologisches Nirwana“ im Rheinwald Breisach/ Burkheim?

Mitgliederversammlung der BI für verträgliche Retention Breisach/ Burkheim e. V. in der Breisacher Stadthalle (Bild: J. W. Steckmeister)

Auf der Mitgliederversammlung der Bürgerinitiative für eine verträgliche Retention Breisach/ Burkheim e. V., die am Dienstag, den 05. Oktober 2010, in der Breisacher Stadthalle stattgefunden hat, fielen erneut deutliche Worte gegen die so genannten„ökologischen Flutungen“ (ÖF). Neben einem Vortrag über die schlammtrüben Folgen der Flutungen durch ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Limnologie, berichtete der 1. Vorsitzende der BI, Lothar Neumann, über Vereinsaktivitäten und Neuigkeiten des vergangenen Jahres sowie kommende Aktionen gegen die umstrittenen Rückhaltebecken. 

Nach der Begrüßung einzelner Gäste, unter ihnen Breisachs Bürgermeister Oliver Rein und sein Vorgänger Alfred Vonarb, berichtete der Vereinsvorsitzende Lothar Neumann über die Schlutenfahrten, die man im Sommer des Jahres unter anderem mit der Arbeitsgemeinschaft Limnologie (ALG) veranstaltet hatte. Er, so Neumann, sei „erschüttert und erschlagen zugleich gewesen, was für eine schöne Natur wir hier haben“. Dies belegte der umtriebige Vorsitzende mit zahlreichen Bildern der Paddeltour von Breisach nach Burkheim, die auf die Thematik des Abends einstimmten. Anschließend berichtete Neumann über die Aktivitäten der vergangenen Monate. Darunter vor allem die vergeblichen Versuche, mit den Umweltverbänden BUND und NABU, Befürwortern der „ökologischen Flutungen“, ins Gespräch zu kommen. Die Naturschutzverbände sehen, im Gegensatz zu den Mitgliedern der BI und den Freiburger Limnologen, in der Umwandlung des Rheinwaldes zur Auenlandschaft eine sinn- und wertvolle Renaturierung der durch Tullas Rheinbegradigung vor rund 150 Jahren zerstörten Natur. Auch die Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae (Bündnis 90/ Die Grünen), die die Bürgerinitiative Ende Juli besucht (REGIONALIA- Breisacher Nachrichten vom 26. 07. 2010, Artikel- Nr.: 2594) und die Moderation eines runden Tisches zwischen BI und Umweltverbänden versprochen hatte, konnte letztere bisher nicht zu einem Gespräch bewegen, so Neumann bedauernd. Erfreulich hingegen sei der Mitgliederzuwachs um 42 auf nun 590 engagierte Personen.
Breisachs Bürgermeister Oliver Rein berichtete anschließend über den Stand des Verfahrens bezüglich des Rückhalteraumes Breisach „Kulturwehr“. Aufgrund von Klagen auf französischer Seite hat sich die Durchführung des Projektes bereits um vier Jahre verschoben, was, wie Neumann zuvor nochmals deutlich betont hatte, nichts mit dem Widerstand der BI zu tun habe. Die Stadt Breisach hat inzwischen einen Experten für französisches Recht beauftragt, um den Ablauf des Entscheidungsverfahrens beim betroffenen Nachbarn adäquat verfolgen zu können. Das Verfahren in Frankreich, erklärte Rein, liefe völlig anders als in Deutschland. Nach Stand der Dinge könne im Idealfall im Jahr 2012 mit dem Bau des Polders „Kulturwehr“ begonnen werden. Zumindest teilweise Positives gab es von den Gesprächen mit dem Regierungspräsidium Freiburg zu berichten. Man habe, so Breisachs Bürgermeister, „gute, ernste Gespräche geführt“. Viele Anregungen seitens der BI würden angenommen und geprüft, so zum Beispiel die Entschädigungen für die von den Baumaßnahmen betroffenen Vereine, versicherte Rein. Insbesondere würden auch die so genannten „Wirksamkeitsvoraussetzungen“ der Fließpolderlösung geprüft. Hier werde untersucht, ob die von der Bürgerinitiative vorgeschlagene Lösung das nötige Wasservolumen bewältigen könne. Durch eine sinnvolle Verbindung der bestehenden mit den eingetrockneten Wasserläufen im Rheinwald, so die Vorstellung des Vereins wie der Limnologen, könnte der Bau eines Rückhaltebeckens mit stehendem Wasser und eine Zerstörung der bestehenden Landschaft vermieden werden.
Als einen Teilerfolg werteten die Bürgerinitiativler/Innen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zum Polder „Elzmündung“ bei Kappel- Grafenhausen vom 03. August 2010. Hier muss das Land zumindest in zwei Punkten nachbessern, so die Richter/Innen. Auch wurde festgestellt, dass „ökologische Flutungen“ grundsätzlich keine Ausgleichsmaßnahme für das Integrierte Rheinprogramm (IRP) darstellen. Mit Hilfe eines Rechtsanwaltes wird nun auch die BI Breisach/ Burkheim das Klagerecht einreichen.
Wie wenig gerecht die Dauerbewässerung in künstlichen Rückhaltebecken der Landschaft entlang des Rheins wird, machte Dr. Klaus Rudolph von der ALG in seinem Vortrag „Mythen und Märchen- wie ökologisch sind ökologische Flutungen?“ deutlich. Die Limnologie („Seenwissenschaft“) beschäftigt sich mit dem Ökosystem Binnengewässer. Um ein besonders wertvolles Ökosystem, so Dr. Rudolf, handele es sich bei dem Gebiet zwischen Breisach und Burkheim. Zunächst aber räumte Rudolf mit den Mythen und Märchen um die vor Tulla existierende Rheinauenlandschaft auf. Die Auenwälder mit „Herr- der- Ringe- Optik“, die BUND und NABU auf ihren Internetseiten zum Thema präsentieren, seien in Wirklichkeit karge Kiesinseln gewesen, die wegen der dauernden Überspülung durch den Rhein bestenfalls Buschbewuchs gehabt hätten. Auch die Vorstellung einer Entschlammung durch Überflutung sei unsinnig, so der Wissenschaftler. Vielmehr würde durch den Rhein Schlamm in die Schluten gespült, was nach und nach zum Versiegen der Gießen und Quelltopfe und zur Verlandung der Fließgewässer führen würde. Das zeigten bereits die hin und wieder durchgeführten Flutungen durch den staatlichen Französischen Energiekonzern und Wehrbetreiber EDF. Auch der Musterpolder „Altenheim“ bei Kehl, der seit über 20 Jahren geflutet wird, sei alles andere als ein Positivbeispiel. Die gießentypische Ökologie sei hier vollends verschwunden, so Rudolf. Die einst reiche Vegetation bestünde aus einem Urwald von Schilf und Springkraut, die Quellgewässer seien komplett verschlammt. Ein „Schlam(m)assel“ oder „ökologisches Nirwana“ bilanzierte Dr. Klaus Rudolf die Ergebnisse der „ökologischen Flutungen“. Die Landschaft zwischen Breisach und Burkheim sei, gerade wegen ihrer intakten Quelltöpfe, zum Teil hochwertiger zu beurteilen, als das Taubergießen, betonte Rudolf. Mit den Flutungen sei das Ziel einer Ausgleichsmaßnahme verfehlt. Ein echter Ausgleich sei nur in der Revitalisierung der trockenen und im Schutz bestehenden der Quellgewässer zu sehen, beendete der Limnologe seine Ausführungen.
In der anschließenden Gesprächsrunde wurden zudem Bedenken laut, ob für die vorgesehenen jährlich mindestens 20tägigen Flutungen der Rückhaltebecken - zumal in den Sommermonaten - überhaupt genügend Wasser zur Verfügung stünde. Weiterhin kam die Anregung, neben den Naturschutzverbänden auch die Verantwortlichen aus dem Regierungspräsidium einmal zu einem Gespräch oder einer Ortsbegehung einzuladen, der sogleich ins Protokoll aufgenommen wurde.
Lothar Neumann, der zum Schluss der Veranstaltung von „seinen“ Vereinsmitgliedern noch mit einem Restaurantgutschein für „ganz Deutschland“ beschenkt wurde, wünschte sich neben der Fließpolderlösung vor allem Eines: Mehr und auch jüngere Mitglieder, da es sich bei dem geplanten Projekt zum einen um eine Planung für die nächsten Jahrzehnte handele und zum anderen für das Anketten an Bäume, für den umstrittenen Querdamm Höhe „Jägerhof“ müssten allen rund 600 gefällt werden, auch robustere Naturen gebraucht würden. Der Protest gegen Stuttgart 21 aber auch sein eigener Kampfgeist sollte Neumann jedoch trösten. Auch Menschen jenseits der 45 lassen sich kein X für ein U vormachen und gehen für ihre Meinung auf die Straße und, wenn es denn sein muss, auch auf Bäume und Barrikaden.
 

Autor:  Julius W. Steckmeister (Breisacher Nachrichten, Artikel-Nr. 3259 ISSN 2698-6949)

Angelegt am 06.10.2010 12:04.

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Am Pult: 1. Vorsitzender Lothar Neumann. Rechts davon: Limnologe Dr. Klaus Rudolf (Bild: J. W. Steckmeister)  

Lothar Neuman berichtet. BM Oliver Rein und BI- Mitglied Karl- Anton Hanagarth hören zu. (Bild: J. W. Steckmeister)  
 
 

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